Die heiße Jahreszeit – Tödliche Hitzefalle Auto

Ein heißer Sommertag beginnt
Ein heißer Sommertag beginnt. | Bild: Johannes Horak

Die Hitzefalle Auto – Jährlich begegnet man in der heißen Zeit des Jahres leider regelmäßig ähnlich klingenden Schlagzeilen über Kinder(oder hier) und Haustiere (oder hier), aber auch Nutztiere die tagsüber in geparkten Autos oder Anhängern zurückgelassen wurden. Im besten Fall können diese durchs Einschlagen der Scheibe oder anderweitiges Öffnen des Autos gerettet werden, im schlimmsten Fall erleiden sie einen Hitzetod. In den USA alleine trifft dieses Schicksal jährlich im Schnitt 37 Kinder. Oft fehlt das Bewusstsein, wie schnell die Temperatur innerhalb eines in der Sonne geparkten Wagens ansteigen kann. Kurz gesagt: Bereits innerhalb einer halben Stunde können lebensgefährliche Bedingungen erreicht sein. In diesem Artikel sehen wir uns das etwas genauer an.

Kinder und Haustiere in geparkten Autos

Die Beschäftigung mit diesem Thema hat noch einen anderen Hintergrund. Folgende Situation: Man entdeckt an einem strahlend schönen Sommertag ein in einem Fahrzeug eingeschlossenes Kind oder Haustier. Was darf rechtlich gesehen getan werden und welche Konsequenzen hat dies anschließend? (Das Einschlagen einer Scheibe ist Sachbeschädigung)

Im Fall von Kindern ist die rechtliche Situation einfacher – wenn auch hier nicht vollständig ohne Tücken. Einen guten Überblick darüber was zu tun ist damit man sich auf rechtlich sicherer Basis bewegt liefert der ÖAMTC (Nachtrag: ÖAMTC Link ist gerade offline, das essentielle findet sich aber auch in diesem Artikel). Auf planethund.com gibt es dann ein Interview mit Rechtsanwältin Mag. Dr. Regina Schedlberger zu sehen, das zeigt, dass es im Fall von Haustieren ewas komplizierter wird. Der Punkt an dem es sich spießt ist, ob ein die Sachbeschädigung (z.B. Einschlagen der Scheibe) entschuldigender Notstand vorliegt:

Die österreichische Rechtsordnung erkennt das Wohlergehen eines Tieres als solches grundsätzlich als ein geschütztes Rechtsgut an. Das körperliche Wohlergehen menschlichen Lebens erhält jedoch insbesondere im Strafrecht einen besonderen Schutz. Es kann daher vorkommen, dass die Rettung eines Kleinkinds aus dem Auto in Situationen zulässig ist, in denen bei Tieren noch nicht die Grenze zum entschuldigenden Notstand überschritten haben. In dieser Hinsicht ist aber auch jeder Einzelfall gesondert zu prüfen.

Mag. Dr. Regina Schedlberger

War es im Auto nun heiß genug um das eingeschlossene Haustier in Gefahr zu bringen oder nicht? Hat die Hitzefalle Auto bereits zugeschlagen? Es gibt in diesem Interview jedenfalls Empfehlungen die man befolgen sollte um sich abzusichern, sollte man eines Tages in die Situation kommen.

Nun ist aber die Frage: Könnte man nicht ein einfaches physikalisches Modell entwickeln, mit dem man die Temperaturentwicklung in einem Auto mit ausreichender Genauigkeit beschreiben kann? Das würde die Antwort auf die Frage ob denn eine Notsituation vorgelegen hat mit physikalischen Argumenten untermauern und eventuell sogar entscheiden, also eine faire Antwort auf die Frage liefern ob eine Notsituation vorlag.

Im Rahmen meiner Anstellung an der veterinärmedizinischen Universität Wien haben Prof. Günther Schauberger, Prof. Ivo Schmerold, Kurt Wimmer und ich ein eben solches Modell entwickelt. Die entsprechende Publikation (Horak 2016) ist gerade im Journal of Theoretical and Applied Climatology erschienen. Da aber gerade die heiße Jahreszeit richtig Fahrt aufnimmt, beschäftigen wir uns vorerst damit, wie gefährlich die Bedingungen in einem in der Sonne geparkten Fahrzeug sind.

Hitzeschlag

Medizinisch gesehen erleiden Opfer einen durch Überhitzung des Körpers herbeigeführten Hitzeschlag der in weiterer Folge zum Hitzetod führen kann. Im Endeffekt kann der menschliche (aber auch tierische Körper) ab eines gewissen Umgebungstemperatur keine Wärme mehr abführen – die Körpertemperatur beginnt zu steigen. Überschreitet diese $40^o\text{C}$ entspricht dies – per Definition – einem Hitzeschlag. Dieser geht einher mit Delirium, Krämpfen und Koma.

Auch bei adequater Abkühlung endet ein Hitzerschlag oft tödlich und selbst bei Überlebenden kann es zu irreversiblen Schädigungen kommen (Bouchoma 2002). Liegt die Körpertemperatur für eine gewisse Zeit über $41.6\,^o\text{C}$ ist ein Überleben unwahrscheinlich (Bynum 1978). Dabei ist zu beachten, dass diese Temperatur für gesunde 19-22 Jahre alte männliche Militärangehörige ermittelt wurde. Für Kleinkinder ist wohl ein geringerer Wert zu erwarten.

Hitzefalle Auto – wie es sich erhitzt

Physikalisch gesehen ist der Hauptantrieb für die Erwärmung die kurzwellige Himmelsstrahlung. Darunter fällt einerseits die direkt von der Sonne kommende Strahlung und andererseits aber auch die von der Atmosphäre gestreute sogenannte diffuse Strahlung – das „Himmelsblau“. Auf zwei Arten kann dies nun die Luft innerhalb eines Fahrzeugs erwärmen:

  1. Die Himmelsstrahlung erwärmt zunächst die Außenverkleidung des Autos. Da sich Wärme in Festkörpern von warmen zu kühleren Regionen ausbreitet erwärmen sich aufgrund dessen in weiterer Folge auch die Innenseiten des Fahrzeuges. Zwei Mechanismen führen dazu, dass es für einen Passagier unangenehm warm wird: Einerseits nimmt die Kabinenluft die an die Fahrzeugwände angrenzt diese Wärme auf und wird auf diese Weise immer wärmer. Andererseits geben die Fahrzeugwände ihrerseits Energie in Form von Wärmestrahlung ab – also langwelliger elektromagnetischer Strahlung – welche wiederum auf den Passagier auftrifft und diesen erwärmt.
  2. Die Himmelsstrahlung kann auch durch Fenster – ob getönt oder nicht – direkt in das Fahrzeug eintreten. Dort wird sie von der Innenausstattung absorbiert und erwärmt diese direkt. Allerdings geht diese Erwärmung deutlich schneller vonstatten als wenn die Wärme erst durch Wärmeleitung ins Fahrzeuginnere transportiert werden müsste. Einen Eindruck davon wie heiß Oberflächen im Auto werden können vermittelt vielleicht einfach der Gedanke daran, wie heiß das Lenkrad sein kann wenn die Sonne eine Zeit lang darauf schien. Die Armaturen werden also sehr heiß und geben – wie die Innenseiten der Fahrzeugwände zuvor – Wärmestrahlung ab und erwärmen auch wieder die angrenzende Kabinenluft.
Abgebildet sind die zwei Wege die hauptsächlich zur Erwärmung der Luft in einem Auto beitragen.
Abgebildet sind die zwei Wege die hauptsächlich zur Erwärmung der Luft in einem Auto beitragen.

Wärmestrahlung die innerhalb des Fahrzeuges abgegeben wird kann das Fahrzeug jedoch nun nicht mehr verlassen. Für elektromagnetische Strahlung im sichtbaren Bereich – also die Himmelsstrahlung – sind die Fenster durchlässig. Für langwelligere Strahlung, also Wärmestrahlung zum Beispiel, ist dies nicht mehr der Fall! Die üblichen Glassorten die in Autofenstern verwendet werden lassen Strahlung in diesem Wellenlängenbereich nicht durchtreten – ein im sichtbaren Bereich durchsichtiges Fenster wäre im langwelligen undurchlässig und schwarz.

Dieser Effekt ist auch als Glashaus- oder Treibhauseffekt bekannt. Die Energie die durch die Sonnenstrahlung also ins Auto eingebracht wird, kann diese nicht wieder auf dem Strahlungsweg verlassen und ermöglicht somit eine Aufheizung der Luft im Fahrzeuginneren auf eine Temperatur weit über der Umgebungslufttemperatur.

Treibhauseffekt beim Auto - Himmelsstrahlung bzw. Licht im sichtbaren Bereich des Spektrums kann durch ein Fenster ins Auto eintreten und dort die Innenausstattung erwärmen. Die von der Innenausstattung wieder abgegebene Wärmestrahlung wird jedoch vom Fenster absorbiert und kann das Fahrzeug nicht mehr verlassen.
Treibhauseffekt beim Auto – Himmelsstrahlung bzw. Licht im sichtbaren Bereich des Spektrums kann durch ein Fenster ins Auto eintreten und dort die Innenausstattung erwärmen. Die von der Innenausstattung wieder abgegebene Wärmestrahlung wird jedoch vom Fenster absorbiert und kann das Fahrzeug nicht mehr verlassen.

Die anderen Wärmetransportmechanismen sind – im Fall eines geparkten Autos mit geschlossenen Fenstern (aber auch teilweise geöffneten) – anfangs nicht effizient genug um die Energie so schnell wieder abzugeben wie sie aufgenommen wird. Solange dies der Fall ist erwärmt sich die Kabinenluft weiter und weiter. Klar, irgendwann ist Schluss, und dann stellt sich ein Gleichgewicht zwischen eingebrachter und abgegebener Energie ein. Die Temperatur bliebe ab diesem Zeitpunkt gleich.

Wie schnell sich ein Auto aufheizt

Viele Faktoren spielen nun eine Rolle, wie schnell die Temperatur der Luft innerhalb des Autos ansteigt. Ohne spezielle Lackierungen ist die Farbe zum Beispiel der dominierende Faktor. Schwarz absorbiert mehr solare Strahlung als Weiß und erhitzt sich daher deutlich schneller. Alle anderen Farben liegen zwischen diesen beiden Extremen, grob gilt aber um so dunkler um so heißer.

Spezielle Lackierungen können den Einfluss der Farbe aber weitgehend ausschalten. Der Grund dafür ist, dass die Sonne den Großteil ihrer Energie im Wellenlängenintervall von etwa $300-2500\,\text{nm}$ abgibt, der sichtbare Bereich jedoch bei ca. $380-780\,\text{nm}$ liegt. Diesen Unterschied machen sich diese Lacke zu Nutze indem sie im sichtbaren Bereich des Lichts einen Großteil der Strahlung passieren lassen damit die Farbe des Autos für uns erhalten bleibt. Im restlichen Bereich (also über $700\,\text{nm}$ sind sie aber sozusagen blitzblank. Das bedeutet, dass der größere Anteil der dort eintreffenden Strahlung reflektiert wird und nicht zum Erwärmen beitragen kann. Aber auch solche Lackierungen verhindern nicht, dass die Temperaturen im Fahrzeug schnell gefährliche Höhen erreichen können.

Einen kleinen Einfluss hat es auch, ob man die Fenster des Autos einen Spalt öffnet. Allerdings ist dies vernachlässigbar.

In jedem Fall geht der Temperaturanstieg an einem klaren Sommertag sehr schnell von statten. Catherine McLaren (2005) fand zum Beispiel heraus, dass die Umgebungstemperatur einen relativ geringen Einfluss auf die Erwärmung einer dunklen Limousine hat. Innerhalb einer halben Stunde sind in ihren Messungen bereits etwa $80\,\%$ der Endtemperatur erreicht! Es spielt also kaum eine Rolle, ob es $20^o\,\text{C}$ hat oder $30^o\,\text{C}$, in jedem Fall erreicht Lufttemperatur innerhalb des Fahrzeuges über $40^o\,\text{C}$.

Wie schnell es gefährlich wird

Unterhalb einer Temperaturschwelle kann der menschliche Körper Wärme noch abführen und eine sichere „Betriebstemperatur“ halten. Die geschieht durch Schwitzen, Erweiterung der Blutgefäße und eine erhöhte Herzfrequenz. Wärme wird aus dem Körperinneren an die Oberfläche transportiert wo sie schließlich abgeführt werden kann. Bleibt man jedoch gefährlichen Bedingungen ausgesetzt tritt der Körper in die Phase ein, wo all die aufgenommene und selbst produzierte Wärme nicht mehr abgegeben werden kann. Von da an steigt die Körpertemperatur weiter und weiter bis schießlich ein Hitzeschlag erlitten wird.

In der Sonne ausgesetzten Fahrzeugen können Kleinkinder bereits nach spätestens 20 Minuten nicht mehr genug Wärme abgeben. Ein Hitzeschlag tritt spätestens nach 1h 45 Minuten ein, der Hitzetod nach knapp 2h (Grundstein 2015).

Warum spätestens? All diese Berechnungen wurden für ein Kind angestellt, das an einem Sommertag um 08:00 früh im Auto zurückgelassen wurde. Das Maximum an kurzwelliger Strahlung, und somit die stärkste Aufheizung, ist aber eher um die Mittagszeit zu erwarten. Zusätzlich wurde als kritische Temperatur die ein Überleben unwahrscheinlich macht eben jene verwendet, die für 19-22 jährige Militärangehörige bestimmt wurde. Es kann also auch viel schneller gehen.

Mir kann sowas doch nicht passieren

Niemand bringt sein Kind oder sein Haustier absichtlich in lebensbedrohliche Situationen. So viel ist klar und dennoch passiert es.

Die Statistiken auf noheatstroke.org spiegeln zwar nur die Vorfälle in den USA wieder, aber eingangs verlinkte Nachrichtenbeiträge zeigen, dass es auch in unseren Gefielden passiert. Dies ist kein auf die USA beschränktes Phänomen. Der Großteil der an Hitzeschlag verstorbenen Kinder, nämlich $54\,\%$, wurden im Fahrzeug vergessen, und zwar von Mutter oder Vater ($29\,\%$ bzw. $34\,\%$ der Fälle). $29\,\%$ der verstorbenen Kinder hingegen spielten im Auto und wurden darin eingeschlossen. Dann gibt es noch die $17\,\%$ die absichtlich zurückgelassen wurden – also Fälle in denen die Eltern wußten, wo ihr Kind sich aufhält aber unterschätzt haben, wie schnell lebensbedrohliche Verhältnisse entstehen können.

Man sollte aus allem geschriebenen nun nicht schlussfolgern „Ach, das Kind/das Haustier 20 Minuten im Auto lassen ist also noch kein Problem“. Es kann immer etwas dazwischen kommen, es kann immer etwas passieren dass jemanden davon abhält, so schnell wieder zurück beim Auto zu sein wie geplant. In diesem Sinne ist der beste Vorschlag bereits auf noheatstroke.org nachzulesen:

Lassen Sie niemals und unter keinen Umständen ein Kind unbeaufsichtigt in einem Auto zurück. Nichteinmal für eine Minute.

Selbstredend, dass dies auch auf Haustiere anwendbar ist – und dem habe ich an dieser Stelle nichts hinzuzufügen. Die tödliche Hitzefalle Auto ist eine reale Gefahr, jedoch ist sie auch eine einfach vermeidbare.

Literatur

Bouchoma, A., and J. P. Knochel. (2002) – Heat stroke. N Engl J Med 346 (2002): 1978-1988.

Bynum, GAITHER D., et al. (1978) – Induced hyperthermia in sedated humans and the concept of critical thermal maximum. American Journal of Physiology-Regulatory, Integrative and Comparative Physiology 235.5 (1978): R228-R236.

Grundstein, Andrew J., et al. (2015) – Evaluating infant core temperature response in a hot car using a heat balance model. Forensic science, medicine, and pathology 11.1 (2015): 13-19.

Horak, J. et al. (2016) – Cabin air temperature of parked vehicles in summer conditions: life-threatening environment for children and pets calculated by a dynamic model. Theoretical and Applied Climatology (2016).

McLaren, Catherine, Jan Null, and James Quinn (2005) – Heat stress from enclosed vehicles: moderate ambient temperatures cause significant temperature rise in enclosed vehicles. Pediatrics 116.1 (2005): e109-e112.

Johannes Horak
Johannes Horak hat sein Physikstudium an der Universität Wien mit Schwerpunkt Quantennanophysik abgeschlossen. Anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Ernst-Mach-Institut auf dem Gebiet der Laser-Materie Wechselwirkung. Von Dezember 2015 bis Juni 2020 war er an der Universität Innsbruck tätig und beschäftigte sich mit der feineren Auflösung von globalen Klimamodellen in Gletscherregionen. Beginnend mit Juni 2020 arbeitet er für die Stadt Linz als Stadtklimatologe.

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