Kohlenstoffbasiertes Leben und das Universum

Orionnebel: Hier entstehen aus Wasserstoffgaswolken junge, heiße Sterne; der Prozess der Fusion von Wasserstoff zu Helium setzt ein. By NASA, ESA, M. Robberto (Space Telescope Science Institute/ESA) and the Hubble Space Telescope Orion Treasury Project Team [Public domain], via Wikimedia Commons
Orionnebel: Hier entstehen aus Wasserstoffgaswolken junge, heiße Sterne; der Prozess der Fusion von Wasserstoff zu Helium setzt ein. | Bild: NASA, ESA, M. Robberto

Vor knapp einem Monat verstarb Heinz Oberhummer, vielen vielleicht bekannt als Mitglied der Science Busters. Während er versuchte Wissenschaft einem größeren Publikum humorvoll näher zu bringen arbeitete er wissenschaftlich unter anderem auf dem Gebiet der Nukleosynthese mit dem Ziel, die Frage, wie chemische Elemente im Urknall und in Sternen entstehen, besser beantworten zu können. Dies führte ihn im Laufe der Zeit auf ein spannendes Thema: Leben wie wir es kennen basiert auf dem Element Kohlenstoff welches bei bestimmten Vorgängen in Sternen entsteht. Zwei der vier Grundkräfte der Physik (die starke und die schwache Wechselwirkung, Elektromagnetismus und die Gravitation) beeinflussen diesen Vorgang direkt. Wenn das Universum und somit diese Grundkräfte nun ein klein bisschen anders beschaffen wären, könnte es dann überhaupt noch genug Kohlenstoff geben um unsere Existenz zu ermöglichen? Auf Oberhummers Beitrag zur Beantwortung dieser Frage möchte ich in diesem Artikel etwas eingehen.

Kohlenstoffbasiertes Leben

Leben – so wir es kennen – basiert auf dem Element Kohlenstoff. Es ist der Hauptbestandteil von Zuckern, Proteinen (Aneinanderreihung von Aminosäuren), Fetten, der DNS und von noch vielem mehr. Das liegt daran, dass Kohlenstoff flexibel ist, wenns um das Formen von Bindungen geht, und sehr stabile Doppelbindungen bilden kann.

Deshalb ist die Frage danach, wie und in welchen Mengen Kohlenstoff entsteht, sehr spannend. Gäbe es nicht ausreichend davon, dann gäbe es keine Menschen, die sich über diesen Umstand wundern könnten. Natürlich wissen wir somit auch schon etwas über das Universum – ganz offensichtlich können wir uns ja diese Frage stellen, daher muss genug Kohlenstoff vorhanden sein. Aber wie speziell müssen die Grundkräfte beschaffen sein, wie stark darf ihre Stärke variieren damit dies möglich ist?

Wie die Elemente entstehen

Da wird es also notwendig sich Gedanken zu machen, wie Elemente entstehen. Was ein Element eigentlich ist wird im Artikel über Radioaktivität genauer erklärt.

Blicken wir ins All hinaus können wir eine Idee davon bekommen mit welcher Häufigkeit Elemente vorkommen. Wir können sogar einen Blick in die Vergangenheit werfen – um so größer die Distanz bei der wir etwas beobachten um so weiter zurück sehen wir. Das Licht einer Galaxie in 10 Milliarden Lichtjahren Entfernung benötigte 10 Milliarden Jahre um uns zu erreichen und verrät, wie das Universum zu dieser Zeit aussah und woraus es bestand.

Die folgende Graphik zeigt, wie häufig Element in unserem Sonnensystem vorkommen:

Häufigkeit der Elemente im Sonnensystem, Quelle: Cameron 1970.
Häufigkeit der Elemente im Sonnensystem, Quelle: Cameron 1970

Wasserstoff und Helium sind am häufigsten, dann stellt man einen kurzen Einbruch bei Lithium, Beryllium und Bor fest, ab Kohlenstoff ists dann wieder deutlich mehr.

Wie diese Elemente nun entstehen kann im Prinzip durch vier Prozesse erklärt werden:

  • beim Urknall
  • Synthese in Sternen
  • Synthese in Supernovae
  • durch kosmische Strahlung

Eigentlich ist das sehr poetisch – wir sind nichts anderes als Sternenstaub.

Leichte Elemente wie Wasserstoff $\text{H}$ und Helium $\text{He}$ entstanden jedenfalls bereits wenige Minuten nach dem Urknall in etwa in jenen Mengen, die wir heute beobachten. Das ging als es mit 100 Milliarden Kelvin schon „kühl“ genug war. Auch Lithium $\text{Li}$ und Beryllium $\text{Be}$ entstanden bereits in dieser frühen Phase des Universums.

Schwieriger ist es allerdings für alles schwerer als $\text{Li}$ und $\text{Be}$. Diese Elemente entstehen erst im Inneren von Sternen, und diese bilden sich wiederum aus einer Ansammlung von Gas, im frühen Universum also Großteils aus Wasserstoff und Helium.  Eine solche Wolke verdichtet sich durch ihre eigene Schwerkraft immer weiter, fällt in sich zusammen, und im Zuge dessen steigt ihre Temperatur an. Man kennt diesen Effekt ähnlich von der Fahrradpumpe – nach einigen Pumpgängen in denen die Luft im Kolben immer wieder komprimiert wurde spürt man eine deutliche Erwärmung. Temperatur bedeutet anschaulich, dass sich die Gasteilchen immer schneller bewegen und somit entsteht in der Wolke Druck der dem gravitativen Kollaps, also der immer weiteren Verdichtung, entgegenwirkt. Sind die Bedingungen genau richtig zündet im Kern der Wolke die Wasserstofffusion und ein neuer Stern erstrahlt. Gravitation und Druck (durch Teilchenbewegung und Strahlung) halten sich die Waage.

Bei diesen unglaublichen Temperaturen und Drücken wird immer weiter Wasserstoff zu Helium fusioniert was zusätzliche Energie freisetzt. Irgendwann ist jedoch der komplette Wasserstoff aufgebraucht und abhängig von der Masse des Sterns gibt es unterschiedliche Dinge die passieren können.

Im Fall eines massereichen Sterns beginnt nun die Phase in der unter anderem drei Heliumkerne zu Kohlenstoff fusioniert werden, dies ist als Drei-Alpha-Prozess bekannt. Es ist genau dieser Prozess den Oberhummer und seine Mitautoren analysiert haben.

Wie geht es mit unserem Stern weiter? Phil Plait von badastronomy.com hat dies bereits großartig formuliert und das Folgende basiert auf seinem extrem lesenswerten Artikel dazu.

Unserem Stern wird schließlich auch das Helium ausgehen und er wird immer schwerere und schwerere Elemente zu noch schweren fusionieren. Allerdings ist bei Eisen eine Grenze erreicht! Bis dorthin setzt die Fusion nämlich noch Energie frei, während die Fusion von Eisen Energie benötigt. Das setzt eine unaufhaltsame Kettenreaktion in Gang.

Der Eisenkern des Sterns entzieht sich selbst Energie und somit Wärme. Das den Kern stabilisierende Gleichgewicht zwischen Gravitation und Druck existiert bei niedrigerer Temperatur nicht mehr und der Kern mit mehreren tausend Kilometern Durchmesser kollabiert innerhalb einer tausendstel Sekunde zur einer wenige Kilometer durchmessenden Kugel.

Die äußeren Schichten des Sterns krachen nun mit einem guten Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit in den komprimierten Kern, eine unglaubliche Zahl von Neutrinos und subatomaren Teilchen freisetzend. Das Gas der äußeren Schichten des Sterns absorbiert einen Teil von ihnen (und aus dem letzten Artikel wissen wir, dass es sehr sehr sehr viele Neutrinos sein müssen die bei diesem Prozess freigesetzt werden damit das folgende passieren kann) und explodiert. Einige Sonnenmassen Sternmaterials werden mit tausenden Kilometern pro Sekunde vom Stern weggeschleudert.

Diese gigantische Menge an Energie die beim „Tod“ eines Sterns freigesetzt wird ist das was wir als Supernova bezeichnen. Diese leuchten für einen kurzen Zeitraum hell genug auf, dass wir sie von der Erde aus, trotz der gewaltigen Entfernung und eventuell sogar bei Tag, mit freiem Auge sehen können. Durch diese Art Sterne entstehen schließlich auch die schwereren Elemente in größen Mengen.

Ein physikalisches Modell

Aber zurück zur Entstehung zum Kohlenstoff. Der hauptsächlich dafür verantwortliche Prozess in roten Riesensternen ist der Drei-Alpha-Prozess. Dabei entsteht zunächst aus zwei Alpha-Teilchen (welche Heliumkernen entsprechen) das mit ca. . $10^{-16}\;\text{s}$ sehr kurzlebige Beryllium $\ce{^8Be}$:

\[\alpha+\alpha \rightleftharpoons\;\ce{^8Be}\]

Trotz der kurzen Halbwertszeit ist dies ein Gleichgewichtsprozess, dh. die Menge an Beryllium bleibt während dieser Phase im Leben eines Sternes in etwa gleich, es wird immer genügend neues produziert welches den Verlust durch Zerfall ausgleicht.

Nun muss noch ein weiterer Alpha Kern eingefangen werden um Kohlenstoff zu bilden:

\[ \alpha\;+\;\ce{^8Be}\Rightarrow\;\ce{^12C}\]

Natürlich endet die Generierung schwererer Elemente hier nicht einfach, einfangen eines weiteren Alpha Teilchens führt schließlich zu Sauerstoff $\ce{^16O}$. Auch dieser ist kein unwichtiges Element wenn es um die Entstehung von Leben geht, es wird unter anderem für die Bildung von Wasser $\ce{H_2O}$ benötigt!

Die Rate mit der Kohlenstoff durch diesen Prozess gebildet wird, kann durch eine etwas längere Gleichung beschrieben werden (Rolfs 1988, bzw. Oberhummer 2000):

\[r_{3\alpha}\approx3^{3/2}N_\alpha^3\left(\frac{2\pi\hbar^2}{M_\alpha k_B T}\right)^3\frac{\Gamma_\gamma}{\hbar}\exp{\left(-\frac{\epsilon}{k_B T}\right)}\]

Dabei kommt es aber im wesentlichen nur auf die zwei Größen $\Gamma_\gamma$ und $\epsilon$ an, die sich ändern, wenn starke Wechselwirkung und elektromagnetische Wechselwirkung (die beiden Grundkräfte) in ihrer Stärke variiert werden.

Diese beiden Variablen beschreiben den Anregungszustand des $\ce{^12C}$ der dazu führt, dass diese Reaktion in ausreichender Menge stattfinden kann, ein Resonanzeffekt. Der Umstand, dass die Summe der Energien von $\ce{^8B}$ und $\alpha$ ziemlich genau jene des Anregungszustands von $\ce{^12C}$ ergibt führt zu einer weitaus höheren Reaktionsrate als wenn der Anregungszustand nicht existieren würde. Er begünstigt also die Bildung von Kohlenstoff!

Oberhummer, Csótó und Schlattl haben nun ein Modell für $\ce{^12C}$ entwickelt welches es ihnen ermöglichte $\Gamma_\gamma$ und $\epsilon$,  in Abhängigkeit der Stärke zweier Grundkräfte, für dessen Anregungszustand berechnen. Sie konnten für schwankende starke Wechselwirkung bzw. elektromagnetische Wechselwirkung jeweils ermitteln welche neuen Werte sich für $\Gamma_\gamma$ und $\epsilon$ ergeben und wie sich diese auf die Reaktionsrate $r_{3\alpha}$ auswirken.

Die Ergebnisse

Mit den Ergebnissen aus ihrem Kohlenstoffmodell simulierten Oberhummer und Kollegen schließlich Sterne verschiedener Masse und beobachteten, welche Elemente diese in welcher Häufigkeit bildeten.

Dabei fanden sie heraus, dass selbst eine minimale Änderung der starken Wechselwirkung um nur $0.4\%$ kohlenstoffbasiertes Leben unmöglich machen würde. Nicht nur unbedingt weil es keinen Kohlenstoff gäbe, sondern weil als Resultat auch die Weiterfusionierung von Kohlenstoff zu Sauerstoff beeinflusst würde. So gäbe es entweder eines der beiden Element in großen Mengen (niemals aber beide) oder von beidem fast nichts mehr.

Ähnliches beobachteten die Autoren wenn sie die Stärke der elektromagnetischen Wechselwirkung variierten. Mehr als $4\%$ führten zu einem ähnlich tristen Szenario in dem beinahe kein Kohlenstoff und Sauerstoff mehr vorhanden wären.

Wie sollte es auch anders sein, könnte man nun sagen. Wäre es nämlich anders gäbe es wohl keine Menschheit die sich den Kopf darüber zerbrechen könnte. Das ist als das anthropische Prinzip bekannt. Die Arbeit von Oberhummer, Csótó und Schlattl ist ein nettes Beispiel, wie dicht verwoben grundlegende physikalische Fragestellungen mit philosophischen Problemen sein können, und wie man diese systematisch angehen kann. Aber auch für die Mathematik bei grundlegenden Elementarteilchentheorien haben diese Ergebnisse Grenzen gesetzt, so konnten die Werte bestimmter Größen eingeschränkt werden.

Ich hoffe damit Interessierten ein bisschen nähergebracht zu haben, mit welchen spannenden Fragen sich Heinz Oberhummer in seiner wissenschaftlichen Laufbahn beschäftigt hat. Bei 165 Publikationen in Fachjournalen ist aber klar, dass dieser Artikel nur einen kleinen Bereich aus seinem Schaffen darstellt.

Falls der Artikel gefallen hat freue ich mich natürlich über hilfreiche Likes, +1 oder Shares. Danke fürs lesen und, da dies wahrscheinlich der letzte Artikel des Jahres sein wird – frohes Fest und einen guten Rutsch!

Literatur

A. G. W. Cameron (1950) – Abundances Of The Elements In The Solar System, Space Science Reviews 15

H. Oberhummer, A. Csótó, H. Schlattl (2000) – Stellar Production Rates of Carbon and Its Abundance in the Universe, Science, 289.

Claus E. Rolfs, William S. Rodney (1988) – Cauldrons in the cosmos: Nuclear astrophysics

Phil Plait – Supernova 1987A: The Explosion

Heinz Oberhummer – Publikationsliste

Johannes Horak
Johannes Horak hat sein Physikstudium an der Universität Wien mit Schwerpunkt Quantennanophysik abgeschlossen. Anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Ernst-Mach-Institut auf dem Gebiet der Laser-Materie Wechselwirkung. Von Dezember 2015 bis Juni 2020 war er an der Universität Innsbruck tätig und beschäftigte sich mit der feineren Auflösung von globalen Klimamodellen in Gletscherregionen. Beginnend mit Juni 2020 arbeitet er für die Stadt Linz als Stadtklimatologe.

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