Gravitationswellen und ihre Bedeutung

Zwei massive Objekte umkreisen einander - eine Voraussetzung für mit heutiger Technik detektierbare Gravitationswellen Dana Berry [Public domain], via Wikimedia Commons (Quelle)
Zwei massive Objekte umkreisen einander - eine Voraussetzung für mit heutiger Technik detektierbare Gravitationswellen. | Bild: NASA/Dana Berry, Sky Works Digital

Aus aktuellem Anlass gehts gleich nochmal um die allgemeine Relativitätstheorie. Genauer gesagt um eine ihrer Vorhersagen die sich lange einem direkten Nachweis entzogen hat – Gravitationswellen. Dieser Nachweis wurde nun in spektakulärer Weise erbracht, eine weitere Facette der allgemeinen Relativitätstheorie wurde bestätigt. Aber was sind Gravitationswellen eigentlich? Und welche Bedeutung hat ihre Entdeckung? Darum wirds in diesem Artikel gehen. Gleich vorweg möchte ich auch die Lektüre von Florian Freistetters Artikeln zum Thema Gravitationswellen hier und hier ans Herz legen. Sehr lesenswert!

Was sind Gravitationswellen?

Die Krümmung der Raumzeit durch Masse und Energie ist etwas, was von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie beschrieben wird. Mathematisch wird dieser Zusammenhang in den Einsteinschen Feldgleichungen zusammengefasst. Diese haben wir auch schon im letzten Artikel besprochen als wir uns damit beschäftigt haben, wie die Raumzeit durch Magnetismus gekrümmt werden kann. Diese Krümmung, bzw. Veränderungen davon, breitet(n) sich aber nicht unendlich schnell aus, sondern mit Lichtgeschwindigkeit.

Tatsächlich können wir, wenn wir wissen wollen wie Gravitationswellen entstehen, auch hier Parallelen zum Elektromagnetismus ziehen. Elektromagnetische Wellen (wie Licht) entstehen nämlich wenn eine Ladung – wie zum Beispiel ein Elektron – beschleunigt wird. Diesen Umstand macht man sich etwa beim Röntgen zu Nutze. Elektronen werden dabei mit Hochspannungen beschleunigt und zur Kollision mit Metall gebracht. Dieses starke Abbremsen führt dazu, dass Röntgenstrahlung – hochenergetische elektromagnetische Wellen – freigesetzt werden.

Ähnlich ist es mit Gravitationswellen. Wird eine Masse beschleunigt so entstehen dabei Gravitationswellen die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten. Je stärker die Beschleunigung oder je größer die Masse, desto intensiver sind die dabei entstehenden Wellen. Das klingt soweit ja noch recht simpel. Weshalb sind diese Dinger so schwer zu messen?

Das liegt einfach daran, dass die entstehenden Deformationen sehr klein sind. Alles was in unserer direkten Nachbarschaft in der Galaxie passiert führt nicht zu ausreichend großen Wellen. Wenn zwei schwarze Löcher oder Neutronensterne einander umkreisen und/oder schnell rotieren (beides beschleunigte Bewegungen) sieht die Sache aber anders aus. Diese sind normalerweise extrem massereich und kreisen schnell um einander. Da so etwas aber glücklicherweise eher weit weg passiert, und die Intensität der Welle mit dem Abstand stark abnimmt, sind die Veränderungen in der Raumzeit auf der Erde sehr sehr gering. Das machte den direkten Nachweis bisher schwierig.

Ein erster indirekter Nachweis

Zwei Astronomen beobachteten zwei Pulsare die einander umkreisen (genauer gesagt umkreisen sie ihren gemeinsamen Schwerpunkt). Sie stellten dabei fest, dass deren Orbit immer enger wurde, die beiden sich also immer näher kamen. Dieses Verhalten ist damit erklärbar, dass von diesem System Gravitationswellen abgegeben werden. In diesen Wellen steckt natürlich Energie drinnen, und diese muss irgendwoher kommen – in diesem Fall aus der Rotationsenergie der Pulsare. Dieser graduelle Verlust an Energie führt zu einem immer kleineren Orbit. Allerdings wird es noch etwas dauern bis zum „finalen“ Moment in dem die beiden zusammenstoßen. Etwa 300 Millionen Jahre. Jedenfalls bekamen die beiden Astronomen, Russell Alan Hulse und Joseph Hooton Taylor Jr., für ihre Entdeckung schließlich den Nobelpreis in Physik, exakt formuliert für „…die Entdeckung einer neuen Art von Pulsar die neue Wege zur Erfoschung der Gravitation eröffnet„.

Nun hatte man also einen ersten indirekten Nachweis. Natürlich hat man aber als reiner Beobachter – wie eben in der Astronomie üblich – keinen Einfluss auf die Geschehnisse. Vielleicht kennt man nicht alle relevanten Fakten vor Ort? Man hätte also am liebsten ein Experiment wo man die Bedingungen so gut wie möglich kennt und kontrollieren kann. Natürlich hat man, im Fall von Gravitationswellen, momentan auch keinen direkten Einfluss auf deren Erzeugung (auch wenn wir die Raumzeit tatsächlich schon fast merkbar krümmen könnten). Aber zumindest die Messung kann man gut kontrollieren. So brach also die Zeit der großen Interferometer an mit denen man vorhatte, Gravitationswellen endlich direkt zu messen.

Die direkte Messung mit großen Interferometern

Direkt messen heißt hierbei, dass man die Ausdehnung und Stauchung des Raums tatsächlich „sichtbar“ machen will. Dazu bedient man sich, bei LIGO zum Beispiel, zweier L-förmig zueinander stehender 4 km langer Tunnel. Man beginnt mit einem Laserstrahl der an einem sogenannten Strahlteiler zweigeteilt wird. Jeder Teilstrahl wird in jeweils einen der beiden Tunnel geschickt. In diesen sorgen zusätzliche Spiegel dafür, dass jeder etwa 400 mal hin und her läuft. Das heißt das Licht legt in einem Tunnel tatsächlich eine Strecke von 1600 km zurück! Dies vergrößert die Sensitivität des gesamten Interferometers immens. Anschließend, wenn das Licht die Tunnel wieder verlässt, werden die beiden Teilstrahlen wieder zu einem vereinigt und an einem Detektor gemessen. Haben beide auf ihrem Weg durch den Tunnel unterschiedliche Strecken durchlaufen führt dies zu einer Verstärkung oder Abschwächung im Vergleich zur Intensität die der ursprüngliche Strahl hatte. Dazu gibts ein sehr anschauliches Video auf der LIGO Website!

 

Das LIGO Observatorium nahe Livingston, Louisiana. Foto: Caltech/MIT/LIGO Lab <a href="https://www.ligo.caltech.edu/image/ligo20150731c">(link)</a>
Das LIGO Observatorium nahe Livingston, Louisiana. Foto: Caltech/MIT/LIGO Lab (link)

Eine Schwierigkeit besteht nun natürlich darin, jede Längenänderung der Tunnel welche nicht durch Gravitationswellen entsteht (zum Beispiel durch Vibrationen der Spiegel oder Erdbeben) herausfiltern zu können. Dazu reicht es nicht, nur ein solch großes Interferometer zu haben, sondern es benötigt ein zweites. Ein Kandidatensignal für Gravitationswellen, welches nur an einem der beiden gefunden wird, kann ausgeschlossen werden – dieses ist dann nämlich mit großer Sicherheit aufgrund von Geschehnissen (die nichts mit Gravitationswellen zu tun haben) in direkter Umgebung eines Interferometers entstanden. Erst wenn man bei beiden das gleiche Signal feststellt wird es tatsächlich interessant. Vor allem, wenn das Signal bei einem ein klein bisschen früher festgestellt wird als beim anderen. Gravitationswellen breiten sich ja mit Lichtgeschwindigkeit aus, dh. dieser zeitliche Abstand sollte deutlich kürzer als zum Beispiel ein durch ein Erdbeben verursachtes Signal sein. Da beide Observatorien etwa 3000 km voneinander entfernt sind, dürfte dieser also maximal ca. 10 Millisekunden betragen – die Zeit die das Licht von einem zum anderen benötigen würde. Maximal deswegen, weil die Quelle der Gravitationswellen ja nicht auf einer Linie mit den beiden Observatorien sein muss.

Was man erwartet hat und was gemessen wurde

Damit man eine Vorstellung hat, wonach man eigentlich sucht, gibt es Vorhersagen wie ein solches Gravitationswellensignal an einem Interferometer aussehen müsste. Für das Verschmelzen zweier schwarzer Löcher, welche sich ebenfalls aufgrund der durch Gravitationswellen verlorenen Energie immer näher kommen und schließlich eins werden, sieht die Vorhersage so aus:

Das für das verschmelzen zweier schwarzer Löcher vorhergesagte Signal einer Gravitaionswelle
Das für das verschmelzen zweier schwarzer Löcher vorhergesagte Signal einer Gravitaionswelle. LSCO steht für „lowest stable circular orbit“. Quelle: Salcido 2016.

Dieser Vorgang kann also in drei Phasen eingeteilt werden:

  • Inspiral – der immer enger werdende, aber noch stabile, Orbit.
  • Merger – Kurz vor dem verschmelzen, kein stabiler Orbit mehr.
  • Ringdown – bereits verschmolzen aber noch hat das schwarze Loch nicht seine finale Form erreicht.

Gemessen wurde schließlich tatsächlich das Signal von zwei schwarzen Löchern die verschmolzen sind – sie hatten die 36fache und die 29fache Masse unserer Sonne.

Die Daten stimmen sehr gut mit den Vorhersagen überein – selbst die Ringdown Phase am Ende der Verschmelzung wurde registriert.

Die Bedeutung der Entdeckung

Die Entdeckung an sich ist großartig, gibt sie doch den Weg für eine völlig neue Art der Astronomie vor. Man kann sich die Bedeutung vielleicht am besten vorstellen, wenn man sich ansieht wie in der Geschichte Astronomie betrieben wurde und wie sie sich entwickelt hat.

Das elektromagnetische Spektrum. Grafik adaptiert von Victor Blacus (http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Electromagnetic-Spectrum.svg) unter CC BY-SA 3.0.
Das elektromagnetische Spektrum. Grafik adaptiert von Victor Blacus (http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Electromagnetic-Spectrum.svg) unter CC BY-SA 3.0.

Begonnen hat es damit, dass Menschen den Himmel beobachtet haben – und zwar mit freiem Auge. Was heutzutage wegen der steigenden Lichtverschmutzung immer schwieriger wird, war zuvor mit einem Blick zum Himmel getan. Ohne künstliche Lichtquellen und bei Neumond können bis zu 3000 Sterne am Nachthimmel gesehen werden. Alles begann also damit, dass im sichtbaren Bereich des Lichts ohne optische Hilfsmittel beobachtet wurde. Damit lässt sich schon allerhand sehen, nur verpasst man halt auch einiges. Die Grafik rechts veranschaulicht dies – der sichtbare Bereich des EM Spektrums ist nur ein kleiner Ausschnitt.

Irgendwann wurde schließlich das Teleskop entdeckt – nun konnte man von einigen Planeten unseres Sonnensystems mehr sehen als nur Punkte. Mond und Sonne wurden detaillierter beobachtbar und Galilei entdeckte die nun nach ihm benannten galileischen Monde. Aber noch immer spielte sich alles im relativ engen sichtbaren Bereich des Lichts ab.

Schritt für Schritt wurde dies aber in beide Richtungen erweitert. In der Infrarot und Radio Astronomie wird beobachtet, was aus dem langwelligen Bereich des Spektrums seinen Weg zu uns findet. Auf der entgegengesetzten Seite erweitern Beobachtungsmethoden im Ultravioletten, Röntgenstrahlen und Gammastrahlen Bereich unsere Wahrnehmung in Gefielde, die unsere Augen alleine nie wahrnehmen könnten.

Aber nicht nur allein das hilft die Geschehnisse im Universum zu beobachten. Auch Neutrinos können dafür verwendet werden. Diese sind zwar schwer zu detektieren, doch durchdringen sie Materie fast ungehindert und können so wertvolle Aufschlüsse darüber gehen, was im inneren von Sternen vor sich geht. Etwas wohin man mit rein optischen Methoden nicht vordringen kann.

Die Beobachtung von Gravitationswellen begründet nun ein vollständig neues Beobachtungsfeld – die Gravitationswellenastronomie. Sie könnte Beobachtungsdaten von Geschehnissen liefern die wir mit keiner bisherigen Methode erlangen hätten können. Das reicht von den Vorgängen im Kern von Supernovae oder im galaktischen Zentrum bis hin zu der Zeit nach dem Big Bang als das Universum undurchdringlich für elektromagnetische Strahlung war. Denn Gravitationswellen durchdringen alles.

Immer wenn neue Methoden entwickelt wurden, mit denen sich das Universum beobachten ließ, führte das zu neuen und überraschenden Entdeckungen. Mit der ersten direkten Messung von Gravitationswellen ist nicht nur die allgemeine Relativitätstheorie in einer weiteren ihrer Vorhersagen bestätigt worden, vielmehr läutet sie ein neues Zeitalter in der Astronomie ein. Das Tor zu einer ganz neuen Welt wurde aufgestoßen.

Referenzen

Florian Freistetter – Der direkte Nachweis von Gravitationswellen

Website des LIGO Observatoriums

Salcido J. et al, 2016 – Music from the heavens – Gravitational waves from supermassive black hole mergers in the EAGLE simulations. arXiv:1601.06156v1

Die Neuigkeit auf nature.com

Johannes Horak
Johannes Horak hat sein Physikstudium an der Universität Wien mit Schwerpunkt Quantennanophysik abgeschlossen. Anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Ernst-Mach-Institut auf dem Gebiet der Laser-Materie Wechselwirkung. Von Dezember 2015 bis Juni 2020 war er an der Universität Innsbruck tätig und beschäftigte sich mit der feineren Auflösung von globalen Klimamodellen in Gletscherregionen. Beginnend mit Juni 2020 arbeitet er für die Stadt Linz als Stadtklimatologe.

3 Kommentare

  1. die Detektion von GW erfolgt wohl nicht durch Vergleich der Intensitätsänderung (die ist vmtl zu klein), sondern durch eine Phasenverschiebung beider Teilstahlen gegeneinander? Diese kann ja durch das Stauchen eines L-Armes hervorgerufen werden. Wenn die Welle genau zwischen beiden Armen eintrifft, ließe sich keine Phasenverschiebung nachweisen..
    Ansonsten finde ich deine Beschreibung sehr gut.

    1. Hallo und danke! Ich hätte es schon so verstanden, dass die durch den Phasenschub auftretende Intensitätsänderung mit dem Photodetektor gemessen wird.

  2. wow – als ein mensch der mit derart technischen bereichen verständnismässig (obwohl i naturwissenschaftler bin) wenig am hut hat erklärst du komplexe sachverhalte sehr gut nachvollziehbar.
    dankdir und mach weiter so 🙂

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen