Buchbesprechung: Der Marsianer – Andy Weir

Mars - By NASA, ESA, and The Hubble Heritage Team (STScI/AURA) [Public domain], via Wikimedia Commons
Mars | Bild: NASA, ESA, and The Hubble Heritage Team

Für dieses Buch gings in kurzer Zeit auf die große Leinwand. Im Jahr 2013 ursprünglich im Eigenverlag erschienen und bereits Ende 2015 in den Kinos zu sehen – wie kann das sein? Ist das Buch wirklich so gut? Da ich mir selbst den Film ansehen werde, hab ich das ca. 370 Seiten füllende Buch innerhalb von zwei Tagen durchgelesen und muss sagen – es hat mir sehr gut gefallen. Aber was macht es lesenswert? Eine Besprechung des Buches ohne wichtige Teile der Handlung zu verraten.

Der Marsianer – Andy Weir

Original: The Martian

Wir befinden uns am Mars, die NASA hat ein Apollo ähnliches Programm namens Ares auf die Beine gestellt welches es 6 Astronauten gleichzeitig ermöglicht den roten Planeten für etwas mehr als 31 Tage zu besuchen und dort Wissenschaft zu betreiben. Das Ganze ist natürlich sehr kostenintensiv und bedarf einer ausgeklügelten Logistik um ausreichend Proviant für die Besucher zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort vorzufinden. Wie auch bei den Mondlandungen der Apollo Ära nimmt die Öffentlichkeit nach den ersten beiden erfolgreich durchgeführten Ares Missionen, im Kern bestehend aus Flug zum Mars, Aufenthalt am Planeten und Rückflug, diese bereits gelangweilt als Routine war – bis dann doch noch etwas passiert. Keine Sorge, das zentrale Ereignis das die Geschichte in Gang setzt ist bereits ausführlich am Klappentext absehbar. Die Ereignisse spitzen sich so zu, dass die Mannschaft gezwungen ist eine schwere Entscheidung zu treffen und Mark Watney totgeglaubt zurückzulassen.

Natürlich ist Watney alles andere als tot, sonst gäbe es kein Buch. Alleine auf dem Mars festsitzend ohne Möglichkeit zur Rückkehr könnte er es aber bald sein. Mit einer Mission die auf 31 Sol (also 31 Marstage und somit etwas mehr als 31 Erdentage) ausgelegt war hat er trotz Rationierung niemals genügend Proviant um bis zu einer eventuell möglichen Rettung zu überleben.

Und hier beginnt der Roman. Es ist eine abenteuerliche Reise auf die uns Andy Weir mitnimmt welche nicht nur einmal an MacGyver erinnert. Watney ist gezwungen Lösungen unter Zeitdruck aus unpassenden aber vorhandenen Dingen zu improvisieren und tanzt einen schmalen Grat entlang der ihn vor der Myriade Arten bewahrt auf welche ihn der Mars umbringen könnte.

Besonders diese Improvisationen machen einen großen Reiz des Buches aus. Wie lassen sich für bestimmte Zwecke gedachte Geräte und Gegenstände so verwenden, dass sie eine (oft lebensrettende) Funktion erfüllen für die sie niemals gedacht waren? Und die Lösungen mit denen Watney dabei auftaucht sind nicht aus der Luft gegriffen, zumeist gibt es eine physikalische, chemische, biologische und ingenieurstechnische Basis dafür.

Die Geschichte des Protagonisten wird uns in Form von Logbucheinträgen und Transkriptionen von Audiologs nähergebracht, also aus der Ich Perspektive. Auch andere Erzählformen werden für weitere Charaktere verwendet und insgesamt ergibt sich so ein stimmiger Mix der den Leser nicht den Überblick verlieren lässt und auch dazu beiträgt, den Spannungsbogen nicht einbrechen zu lassen.

Die Logbucheinträge selbst geben interessante Einblicke. So ist sich Watney ob seiner verzweifelten Lage nie zu schade für einen Scherz oder eine Popkulturreferenz. Allerdings werden diese dabei deutlich besser eingesetzt als in z.B. Stephen Kings Dreamcatcher und wirken ob ihrer Anzahl nicht deplatziert. Vielleicht einfach deshalb weil man sich bei „The Martian“ tatsächlich vorstellen kann, dass die Handlung in unserer Welt spielt, und in unserer Kultur gibt es eben jene Fernsehserien, Filme und Musikstücke. Einzig die Zahl von Watneys Scherzen und der Umstand, dass er und seine Astronautenkollegen, ja die komplette NASA immer äußerst schlagfertig sind wirkt vielleicht auf Dauer etwas irritierend – wobei man dies dem gestrandeten Marsianer wohl noch im Rahmen des Galgenhumors zugesteht.

Mit der Physik von Situationen und Gegebenheiten wie sie im Buch beschrieben wird habe ich – zumindest nach einer ersten Lesung ohne mich detaillierter damit auseinanderzusetzen – keine Probleme. Nicht alles muss perfekt sein und die Geschichte hat meiner Meinung nach in einem Buch das unterhalten soll Vorrang. Dennoch hat Andy Weir offensichtlich viel Zeit und Arbeit investiert um glaubwürdige Szenarien und Notfälle zu recherchieren und erschaffen. Die Betonung liegt hierbei auf Glaubwürdigkeit – denn diese ist nicht gleichbedeutend mit physikalischer Korrektheit (ohne den meisten Situationen diese absprechen zu wollen). Ein beeindruckender Aufwand der auf ansprechende Weise in eine Geschichte verpackt wurde!

Ob das Buch zu einem Klassiker wird hängt natürlich oft von kaum vorhersagbaren Faktoren ab. Ein Hindernis könnte ich mir allerdings vorstellen. Die Sprache derer sich die Charakterer in „The Martian“ bedienen bedient sich oft bei Wortspielen und Referenzen die gerade jetzt zu unserer Zeit von Relevanz sind. Wer wird in zwanzig Jahren noch über ein zum richtigen Moment vorgebrachtes „That’s what she said!“ lachen? Selbst jetzt ist dieser Witz bereits eher am Ende seiner Lebenszeit angelangt. Science Fiction Klassiker sind oft zeitlos, und das sind sie definitiv auch deswegen weil sie sich in ihrer Sprache nicht kurzweiliger Trends bedienen. „The Martian“ ist teilweise wegen seines Humors eindeutig unserer Zeit zuordenbar.

Unabhängig davon würde ich das Buch definitiv als lesenswert weiterempfehlen.

Die Buchbesprechung basiert auf der englischen Ausgabe des Buches.

Johannes Horak
Johannes Horak hat sein Physikstudium an der Universität Wien mit Schwerpunkt Quantennanophysik abgeschlossen. Anschließend arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Ernst-Mach-Institut auf dem Gebiet der Laser-Materie Wechselwirkung. Von Dezember 2015 bis Juni 2020 war er an der Universität Innsbruck tätig und beschäftigte sich mit der feineren Auflösung von globalen Klimamodellen in Gletscherregionen. Beginnend mit Juni 2020 arbeitet er für die Stadt Linz als Stadtklimatologe.

2 Kommentare

  1. Ich kenne die deutsche Hörbuch – Version ( ungekürzt) des „Marsianers“ und hatte auch als Chemikerin einen Heidenspass (und auf den ersten Blick bzw. Lauscher keine Beanstandungen vorzubringen ) an Watneys McGyver – Aktionen ( ich sag nur Wassersynthese 😉 ) .

    Beim Stöbern durch deinen Blog bin ich neben diesem schon auf einige spannende und gut verständliche Texte gestossen. Es ist immer schön zu entdecken, dass ich in der Welt der Wissenschaftsblogs alles andere als alleine bin 🙂

    Liebe Grüsse,
    Kathi

    1. Ja war ein gutes Buch, denk immer noch gern daran, schön da auch die Sichtweise einer Chemikerin dazu zu haben 🙂

      Feinen Blog hast du auch, hab ihn gleich als Lesezeichen mal abgespeichert! Freu mich auch immer wenn wer über was schreibt das der/diejenige interessant findet (und sich auch die Zeit nimmt). Viele Grüße und man liest sich,

      Johannes

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